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Furusato

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Dokumentation

Fukushima ist Inbegriff für die größte atomare Katastrophe seit Tschernobyl. Die Dokumentation Furusato zeigt nun, wie Menschen rund um das Sperrgebiet wieder zur Normalität zurückkehren.

Alles beginnt mit der Aufnahme, der Tonspur nach zu urteilen könnte man auch fast von Bombeneinschlägen sprechen, von Wasserbeben, verfremdet auf einer Karte, wie seismographisch aufgezeichnet werden die Erschütterungen dargestellt. Bis es zu einer Vielzahl gigantischer Beben kommt, die den Tsunami entfacht haben, der letztlich das Unglück von Fukushima heraufbeschworen hat. Weiter geht es dann mit einem jugendlichen Rock-Musiker, einem Aktivisten, einem Ingenieur der Tokyo Electric Power Company (TEPCO) und einer Pferdezüchterin. Sie alle hadern auf ihre Weise mit der Katastrophe, während das Land so tut als wäre das Ganze gar nicht so schlimm gewesen und manch ein alteingesessener Bewohner sich sogar strikt weigert aus der Gefahrenzone wegzuziehen und es lieber in Kauf nimmt an der Strahlung zu sterben.

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Furusato lebt einzig und alleine von seiner Thematik, was an sich bei einem Dokumentarfilm nicht zwangsläufig verkehrt ist, aber gerade hier dann doch zu gewissen Diskrepanzen führt. Auf der einen Seite ist dem Regisseur Thorsten Trimpop hier die Möglichkeit gegeben eine aufwühlende, erschütternde Dokumentation zu machen, die über die Schrecken einer atomaren Katastrophe aufklären kann und gleichzeitig auch die Hartnäckigkeit nicht nur des menschlichen Lebens, sondern des Lebens prinzipiell, also Mensch, Tier und Pflanzen, vermitteln könnte. Stattdessen fehlt dem Film an sich, eben abseits seiner Thematik, jeglicher Schauwert. Dabei stört es gar nicht so sehr, dass sich Furusato formalistisch an ganz klassischen Dokumentationen orientiert und hier keinerlei kreative filmische Spielereien zulässt.

Weitaus störender ist da schon die Tatsache, dass Trimpop wenig Gespür für Schnitt zeigt und oftmals zu früh oder zu spät aus einer Szene aussteigt, um ganz unvermittelt zu einer anderen Person zu wechseln. Dies führt so weit, dass der Film einen stark zusammengestückelten Charakter bekommt. Nicht einmal die dargestellten Personen vermögen es, Furusato einen gewissen Zusammenhalt zu verleihen und der einzige rote Faden, der sich durch das Gezeigte zieht, ist eben die atomare Katastrophe. Es erweckt den Eindruck, dass der Regisseur lediglich so viel Material wie möglich gesammelt hat, ohne sich irgendwie Gedanken darüber zu machen, wie das Ganze in späterer Folge Verwendung finden oder zusammenpassen könnte, und es dann am Schneidetisch einfach in beliebiger Reihenfolge aneinanderklebt.

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Natürlich, die Thematik eines Dokumentarfilms ist stark bestimmend für die Wirkung des Films und auch für die Faszination und Qualität dafür. Mit der Thematik um Fukushima wäre jedoch genügend filmisches Potenzial für eine denkwürdige, qualitative Dokumentation vorhanden, Trimpop weiß sie scheinbar nur nicht richtig zu nutzen. Stattdessen wird mehr Wert auf emotionale Schockmomente gesetzt, als würde die Katastrophe selbst nicht schon für genügend Schock sorgen. Es zeugt von einem Mangel an Vertrauen gegenüber seinem eigenen Film, dass er lieber Momente bevorzugt, die auf billige Weise Grauen und Schrecken hervorrufen sollen, statt die Schicksale der Personen für sich sprechen zu lassen.

Überhaupt haftet Furusato eine gewisse Künstlichkeit an, die in vielen Szenen spürbar ist. Die Rede ist nicht von der manchmal eigenwilligen Natur der Japaner oder von der, jedem Film, stets immanenten Künstlichkeit, sondern davon, dass man oft die Anwesenheit des Regisseurs zu spüren meint, einer Instanz, die hinter der Kamera steht und die Personen davor instruiert und zwar so oft, bis die Szene genau so im Kasten ist, wie es sich der Regisseur vorstellt, ungeachtet der Tatsache, dass er es hier nicht mit professionellen Schauspielern, sondern mit realen Menschen zu tun hat. Nichts davon schmälert die Katastrophe von Fukushima, aber all das artifizielle, all die stilistischen, filmischen Probleme, schmälert die Wirkung von Furusato erheblich. Dass der Film dennoch sehenswert ist, liegt einzig und alleine, so traurig es ist, an einer Katastrophe.

Regie und Drehbuch: Thorsten Trimpop, Mit: Miwa Hosokawa, Tokuei Hosokawa, Kazuki Matsumoto, Bansho Miura, Filmlänge: 93 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale V’16