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Voll verzuckert – That Sugar Film

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Dokumentation

Ähnlich wie schon Morgan Spurlock in Super Size Me unterzieht sich in Voll verzuckert – That Sugar Film der Australier Damon Gameau einem kulinarischen Selbstexperiment. Statt Burger erhöht er in seiner Doku seinen Tageskonsum von Zucker.

Für die Lebensmittelindustrie ist er weißes Gold, für Damon Gameau süßes Gift: Zucker führt in zu großen Mengen zu Diabetes, Schlaganfall und macht hyperaktiv. Besonders letztes demonstriert der australische Schauspieler und Regisseur mit seinem Gonzojournalismus. Für 60 Tage steigert er seinen Tageskonsum auf 40 Löffel, die Durchschnittsmenge seiner Landsleute. Entsprechend aufgedreht und grellbunt ist die daraus entstandene Doku.

Die dreht sich vor allem um die irren Abenteuer des Protagonisten, der bei seinem Experiment eine Reihe brisanter Themen streift: irreführende Werbung, vertuschte Gesundheitsschäden, Lobbyismus der Lebensmittelindustrie. Zucker ist omnipräsent und verbirgt sich oft in angeblich gesunden, fettarm Produkten. Auf letzte stellt Gameaus seine Ernährung um, was den interessanteren Aspekt der Doku ausmacht. Übergewicht, schlechte Blutwerte und eine Fettleber bekommt er von Frucht-Smoothies, Cornflakes und isotonischen Getränken – den vermeintlich besseren Alternativen zum Schokoriegel. Ein als Comic-Superhelden animiertes Team von Ernährungsberatern und Medizinern überwacht dabei, wie aus Gameaus durchschnittlich gesundem Körper ein ungesunder wird.

„Sugarize Me“, nach dem gleichen Konzept von Morgan Spurlock, der sich vor gut zehn Jahren in Super Size Me zum Versuchskaninchen für Fast Food machte. Ein maßgeblicher Grund für diese Nachahmung waren wohl die Einnahmen von Super Size Me, einem der gewinnträchtigsten Dokumentarfilme aller Zeiten. Dorthin schaffen könnte es auch Gameaus hektischer Crashkurse über den menschlichen Körper und die verlogenen Botschaften der Großkonzerne. Voll verzuckert – That Sugar Film ist der bisher erfolgreichste australische Dokumentarfilm. Angesichts der wichtigen Thematik wäre das eigentlich ein Grund zur Freude.

Doch der gut 100-minütige Zucker-Trip ist vor allem ein Ego-Trip des Hauptdarstellers und dabei ebenso oberflächlich und kalkuliert wie die persiflierten Werbeclips von Coca Cola & Co. Laut Gameau richtet sich sein Film an Zuschauer, die sonst nie Dokumentationen schauen. Also setzte er auf Popmusik, jede Menge lustige Animationen mit Stars wie Hugh Jackman und Stephen Fry und einige Albernheiten. Die sozialen Auswirkungen der global rasant zunehmenden Zuckersucht, etwa auf Australiens indigene Bevölkerung oder die US-Unterschicht, werden lediglich für sentimentale Effekte oder Gruselszenen beim Zahnarzt ausgebeutet. Die perfiden Strategien der Konzerne, die erkaufte Komplizenschaft von Ärzten und Forschern, das Versagen von Gesundheitsbehörden – all dies kommt nur marginal oder gar nicht zur Sprache. An der Aufklärung des Publikums scheint Gameau wenig interessiert und noch weniger an fundierter Recherche. So bezeichnet er Fisch, Fleisch und Eier als Quellen für „gesunde Fette“ und empfiehlt zum Frühstück Speck und Eier. Ein Info-Clip suggeriert, dass Milchzucker aus Kuhmilch für Menschen (außer bei Laktose-Intoleranz) gut sei. Während Voll verzuckert – That Sugar Film ein Komplott der Nahrungsmittelindustrie aufdecken will, spielt er anderen in die Hand: nämlich denen der Milch-Industrie und Tierprodukte-Fabrikanten, die behaupten, wir bräuchten dringend mehr tierisches Protein.

Hier liegt womöglich die Antwort auf die Frage eines von Coca Cola gesponserten Forschers verborgen: „Wenn wir den Zucker eliminieren, was würden die Leute tun, um das Gefühl zu kriegen, das Zucker ihnen gibt?“ Vermutlich in die nächste Falle der Nahrungsmittelindustrie tappen und stattdessen noch mehr Hühnchen, Lachs und Eier verdrücken. Denn der Zucker-Hype ist selbst in gewisser Weise der Backlash der Fett-Panik der vergangenen Jahrzehnte. Solche Zusammenhänge beleuchtet Gameaus knalliger Selbstbericht jedoch nur unzureichend. Am besten betrachtet man ihn daher wohl wie eine Ernährungsberaterin den Titelschurken: „Zucker ist nicht böse. Aber das Leben ist so viel besser, wenn man darauf verzichtet.

Regie und Drehbuch: Damon Gameau, Darsteller: Damon Gameau, Hugh Jackman, Stephen Fry, Christina Evans, Filmlänge: 90 Minuten, Kinostart: 30.10.2015, www.vollverzuckert-thatsugarfilm.de