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Immer in Bewegung: Revolverheld im Interview

pressplay hat die deutsche Band Revolverheld in Wien zum Interview getroffen und sie zu ihrem neuen Album, den Erfolg und ihre Zukunft befragt…

Vor elf Jahren machten Revolverheld Musik in einem Proberaum im Hamburger Hafenviertel, drei Jahre später wurde das selbst betitelte Debutalbum veröffentlicht und mit Die Welt steht still Charterfolge gefeiert. Wieso die fünfköpfige Band ihr neues, viertes Album Immer in Bewegung (Release am 20. September) nannte und warum im Radio schlimmster Quatsch gespielt wird, erzählten und Sänger Johannes Strate und Gitarrist Kristoffer Hünecke im pressplay-Interview. Übrigens: wer Revolverheld live erleben will – am 22. März 2014 spielen sie in der Szene Wien.

pressplay: Ist euer Albumtitel „Immer in Bewegung“ eine Ansage von Revolverheld, dass auch nach über einem Jahrzehnt Bestehen die Welt der Band nicht stehen geblieben ist?

Johannes: Natürlich haben wir uns in den letzten Jahren viel verändert und bewegt, es ist aber auch das Thema unserer Generation. Sei es, dass man morgens gleich nach dem Aufstehen sein Smartphone checkt oder am Wochenende noch erreichbar sein muss, wenn der Chef wichtige Emails schickt. Jeder ist beschäftigt und Entschleunigung ist das neue Modewort, weil sich jeder nach Ruhe sehnt. Wir sind Teil der Generation, die immer erreichbar ist und zu wenig zu Ruhe kommt. Ein Vorteil ist jedoch, dass wir mittlerweile alle sehr flexibel geworden sind, z.B. öfters den Job wechseln als unsere Eltern damals, die meistens Jahrzehnte in einem Unternehmen geblieben sind.

In eurer Single „Das kann uns keiner nehmen“ gibt es die Zeile „manche sind geblieben“. Was hat sich in der ganzen Zeit als Band Revolverheld nicht geändert?

Kristoffer: Wir sind noch immer eine Band und machen Musik, und das seit über zehn Jahren. Vor allem sind wir nach wie vor gute Freunde und trinken gerne ein Bier zusammen. Wir haben mehr denn je Lust auf die Band, das neue Album war ein intensiver Prozess. Ich glaube, es gibt gar nicht so viele Bands, die über die Jahre diesen Weg gehen und wir können uns noch immer darauf einigen ein gemeinsames Album zu machen und sind dann stolz auf das Ergebnis.

Ihr besingt auch in dem Song „die Bar an der Ecke“, mit der ihr viele Erinnerungen verbindet – gibt es die wirklich?

Johannes: Es gibt sogar mehrere (lacht). Bei uns es ist Tradition, dass alle Klassenkameraden von früher an Weihnachten nach Hause fahren und man trifft sich am 23. Dezember dort, wo man damals viel Zeit verbracht hat. Meine Kneipe sieht fast genauso aus wie früher, wurde aber ein wenig restauriert wegen Einsturzgefahr.

Das Musikvideo zu „Das kann uns keiner nehmen“ erinnert mich auch an euren früheren Song „Unzertrennlich“, da beide dem Motto „Lebe den Moment“ Bedeutung schenken. Meint ihr gerade als Musiker sollte man die schönen Momente umso mehr genießen, weil Erfolg nicht für ewig ist?

Kristoffer: Als wir unsere ersten beiden Alben gemacht haben, sind wir einfach noch viel mehr mit dem Kopf durch die Wand gegangen, wir wollten alles sofort und die Welt verändern. Und jetzt mit Anfang bzw. Mitte 30 sind wir gelassener geworden, können das viel mehr genießen und haben es zu schätzen gelernt, dass man in dem Moment mal einfach zufrieden ist und sagt“ Hey, das ist jetzt gut so wie es ist“. Es gibt z.B. Momente am Anfang unserer Karriere, an die ich mich gar nicht mehr erinnern kann, weil es so schnell an uns vorbei gegangen ist. Und da ist es schön mal inne zu halten.

In „Bands deiner Jugend“ redet ihr von „Im Radio spielen sie schlimmsten Quatsch von heute und morgen“ und „komischer Elektro“. Welche Bands meint ihr da konkret?

Johannes: …also Bands, die wir scheiße finden? (lacht). Nein, das müssen wir nicht sagen.

Kristoffer: Was schon relativ auffällig ist, dass es bei vielen Radios einen Konsens gibt von Disco-Pop-Songs gibt, die austauschbar sind. Ich will da keine Namen nennen, aber das ist teilweise langweilig. Wir sind in einer Zeit aufgewachsen, wo es Nirvana, Pearl Jam, Stone Temple Pilots & Co. gab und vor allem mehr Vielfalt. Früher hat man vielschichtigere Musik gemacht, der Song stand damals viel mehr im Vordergrund – und da wir Musikfans sind können wir es nicht nachvollziehen, dass in unseren Augen immer der gleiche Song im Radio läuft. Aber wir wollen auch gar nicht gegen wettern. Und wenn sie unseren Song ab und zu spielen, dann ist es auch gut (grinst).

In einem anderen Interview habt ihr gesagt, dass ihr nichts mehr beweisen müsst. Habt ihr euch mit den Jahren bei Revolverheld deshalb auch getraut mehr eure Solokarrieren zu verfolgen? (Anm. d. Red.: Johannes Strate veröffentlichte 2011 sein Soloalbum „Die Zeiten stehen auf Sturm“ und Kristoffer Hünecke sorgte als KRIS zusammen mit Dante Thomas für den Ohrwurm „Diese Tage“).

Kristoffer: Was heißt getraut…wir machen ja Musik für uns, Johannes und ich schreiben sehr viele Songs, die manchmal auch nicht in den Bandkontext passen. Nach unserem letzten Album „In Farbe“ (2010) wollten wir alle erst was mit der Band wieder machen, wenn wir was zu sagen haben. Dann sind andere Songs in den Vordergrund geraten, Johannes ist in die Singer-Songwriter-Richtung gegangen, ich habe urbane Popsongs geschrieben. Als Band konnten wir nach unseren Soloausflügen wieder von Null anfangen und einen weiteren wichtigen Schritt tun, diesmal in Richtung Coldplay, The Killers, Kings of Leon – jeder von uns konnte sich damit gut identifizieren.

In eurem Song „Sommer in Schweden“ schlägt ihr auch folkloristische Klänge mit Chorgesängen an, was mich etwas an Mumford & Sons erinnert hat. Wolltet ihr da etwas ausprobieren, was sonst nicht typisch nach Revolverheld klingt?

Johannes: Nein. Der Song klingt vielleicht ein bisschen mehr nach meinem Soloalbum, da habe ich mich schon früher heran gewagt. Der Song passte aber gut in den Bandkontext, eben so wie Mumford & Songs oder die Goo Goo Dolls, und da schließt sich für uns wieder der Kreis. Letztere fanden viele aus unserer Band gut oder tun das noch immer – kommt darauf an, wann sie endlich mal wieder was machen (lacht) -, deshalb war es für uns kein großes Experiment.

Beschreibt die Zeile „Ich bin immer erreichbar und erreiche doch nichts“ in euren Augen treffend die Gegenwart?

Johannes: Es geht um die Leute, die immer ständig an ihrem scheiß Telefon sitzen, aber gar nicht wesentlich vorankommen. Z.B. dieses Berlin-Ding mit Laptop im Café sitzen, SMS schicken, ständig auf Facebook posten, auch wo man eincheckt, wo man gerade ist, und einfach nichts Wesentliches schafft. Und ein Jahr später wenn man sie fragt, was sie eigentlich gemacht haben, müssen sie erstmal länger überlegen…Das Schlimmste ist eigentlich, dass sie sich selbst immer als die großen Macher sehen.

Kristoffer: Deshalb ist bei unserem neuen Album „Immer in Bewegung“ das auch ein zentrales Thema: Man macht und macht und funktioniert, aber wirklich selbst die initialen Ideen zu haben ist das, was zählt, und nicht nur die Ideen anderer auszuführen. Und das vergisst man ab und zu. Deshalb manchmal lieber das Handy ausschalten und seinen Gedanken freien Lauf lassen.