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Stirb Langsam 5 oder warum das Actiongenre langsam stirbt

Das Actiongenre ist eines der am schwierigsten zu meisternden Gattungen, die es gibt. Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben beweist diese Behauptung einmal mehr.  Aber warum ist das so? Woran liegt es, dass es momentan fast unmöglich scheint gelungene Actionfilme zu machen? Wie viele gegenwärtige Filme dieses Genres gibt es derzeit, die in zehn bis fünfzehn Jahren als Klassiker gelten werden?

Die Filmemacher unterliegen dem Irrglauben, dass ein Actionfilm keinerlei Geschichte oder glaubwürdiger Figuren bedarf. Stattdessen kompensieren sie diesen Mangel mit zahlreichen Explosionen, Schießereien und Verfolgungsjagden und degradieren damit Geschichte und Figuren zu billigen, einfallslosen Lückenfüllern bis zur nächsten bombastischen Actionsequenz. Der Begriff Action wird so wörtlich genommen, dass die Szenen jegliche Spannung verlieren. Denn man darf nicht vergessen: auch Action muss vorbereitet werden, damit sie funktioniert; auch Action muss glaubwürdig sein innerhalb der vom Film etablierten Welt; auch Action muss eine Begründung haben, damit sie akzeptiert werden kann.

Je öfter eine Emotion, in diesem Fall die Aufregung einer actionreichen, spannungsgeladenen Szene beizuwohnen, wiederholt wird, desto schwächer wirkt sie auf den Zuschauer. Die Szene verfehlt ihren Sinn und Zweck komplett, wenn sie also nicht von einer starken Handlung und glaubwürdigen Figuren getragen wird. Dieser Aspekt ist im Actiongenre genau so essentiell wie in jedem anderen. Gerade, weil es sich hierbei oft um extreme Ausnahmesituationen handelt, die kein Normalsterblicher jemals in Wirklichkeit erleben wird, benötigt man eine starke Identifikationsfigur. Diese erleichtert das Akzeptieren der Actionelemente.

Wie soll man denn ernsthaft mit John McLane in Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben mitfühlen, wenn er bereits von Anfang an als unverwüstlicher Supercop dargestellt wird, der dermaßen absurde Actionszenen überlebt, dass man sie selbst als Fan des Genres und der Stirb Langsam – Reihe kaum noch ernst nehmen kann? Er ist bereits so weit vom Publikum distanziert, dass er nur mehr eine Karikatur seines einstigen Selbst darstellt und auf die einzige, den Filmemachern mögliche Art und Weise darauf reagiert: Er nimmt die Bedrohung selbst nicht sonderlich ernst. Man hat in keinem Moment des Films das Gefühl, dass McLane die Gefahr wirklich nahe geht, im Gegenteil er reißt noch seine Witze und hat ja schon ach so viel Erfahrung im Terroristenbekämpfen, dass er sich selbst doch gar keine Sorgen mehr machen muss, dass ihm etwas geschieht. Vielmehr wirkt es wie ein Tutorial für seinen noch unerfahrenen Sohn.

Scheinbar ist dieser Mangel aber auch den Filmemachern bewusst, weshalb sie sich krampfhaft bemühen den Zuschauer mit einem übermäßigen Gebrauch an Schießereien, Explosionen, etc. abzulenken, damit man gar nicht in die Verlegenheit kommt zu bemerken, wie erbärmlich schlecht die Figuren sind, wie haarsträubend dumm die Handlung ist und wie dürftig die Dialoge sind. Ich denke nicht, dass es in einem Actionfilm nur darum geht in die 90-120 Minuten Handlung so viele Effekte, Explosionen, Kämpfe, etc. einzubauen, wie möglich. Ein gut gemachter Actionfilm besteht aus mehr als nur Gewalt.

Wie viele verschiedene Arten von Explosionen kann man sich anschauen, bevor sie einem langweilig werden? Eine Explosion ist eine Explosion. Sie mag in ihren Auswirkungen und Aufnahmeeinstellungen variieren, aber mehr nicht. Eine Explosion trägt weder zur Spannung noch zum Film bei, wenn dabei nicht etwas Wichtiges auf dem Spiel steht. Im neuen Stirb Langsam fliegt ein Helikopter in die Luft, es bleibt jedoch ohne emotionale Auswirkung auf Figuren oder Zuschauer, womit es nichts weiter ist als ein redundanter Augenfang. Im ersten Teil der Reihe wird das gesamte Dach des Nakatomi-Tower gesprengt, jedoch nur Minuten bevor McLane die Geiseln in Sicherheit bringen konnte und sich selbst in einem waghalsigen Manöver vom Dach befördert. Die Spannung ist höher, das Risiko größer und somit auch die Bedeutung der Explosion für den Film und das Publikum. Gegenwärtige Actionfilme sind meist nichts weiter als Effektorgien, billiges, einfältiges Attraktionskino, größer, lauter, imposanter, aber ohne jeglichen Inhalt. Die Actionszenen finden statt, weil sie technisch machbar sind, weil sie beeindrucken sollen, kurz gesagt: weil sie es tun können, nicht weil es für den Film von Bedeutung ist.

Das Actiongenre liegt im Sterben. Aus dem einfachen Grund, weil die Filmemacher sich nicht ins Gedächtnis rufen, dass es auch in dieser Filmrichtung um Geschichten und Figuren geht. Die Action und Gewalt sind nichts weiter als ein Stilmittel, eine Ausdrucksform dieses Genres, nicht Selbstzweck. Schießereien, Explosionen, Verfolgungsjagden, brachiale Faustkämpfe, das alles ist doch nichts weiter als der Ausdruck der sich langsam steigernden Verzweiflung einer Figur, die durch äußere Umstände zu unglaublichen Leistungen gezwungen wird. Der antagonistische Druck wird immer größer und zwingt den Helden zu immer stärkeren Handlungen, die sich im Actiongenre eben durch Gewalt und actionreiche Szenen ausdrücken. Die Hauptfigur wird dazu getrieben bis zum Äußersten zu gehen.

Aber all das nützt nichts, wenn die Figuren keine eigenen Geschichten, Motivationen, Gefühle, kurz keine Menschlichkeit besitzen, die in den meisten gegenwärtigen Filmen fehlt. Heutige Actionfilme sind eigentlich nichts weiter als Superheldengeschichten. Jason Statham und Vin Diesel sind immer die coolsten, stärksten und besten, man fragt sich nicht ob sie überleben oder die Bösen besiegen, daran zweifelt man nie, weil sie sich nie wirklich in Gefahr befinden, sie sind ihren Antagonisten stets überlegen, es geht immer nur darum wie sie die Feinde am Ende zur Strecke bringen. John McLane war verletzlich, er war nie ein Supercop. John Rambo war ein vom Vietnamkrieg zerstörtes Individuum, das keinen Platz mehr in der Gesellschaft fand und von einem tyrannischen Sheriff zum Äußersten getrieben wird. Wie schon erwähnt, eine Explosion ist eine Explosion, wenn sie nicht in irgendeiner Art und Weise mit den Figuren und der Handlung verbunden ist, wenn sie keine Auswirkungen außer einem bombastischen Effekt erzielt. Aber John McLane ist nicht gleich Snake Plissken, Mad Max ist nicht gleich John Rambo, der Terminator ist nicht gleich Indiana Jones.

Wird man sich an die heutigen Actionfilme genau so erinnern und sie in lobender Erinnerung behalten, ja, sie sogar als Klassiker des Genres bezeichnen wie Rambo, Terminator 2: Judgement Day, Mad Max – Der Vollstrecker, Die Klapperschlange, Bullit, The Getaway, The French Connection oder Stirb Langsam? Hoffentlich kommen die Filmemacher bald wieder zur Besinnung und konzentrieren sich bei den Actionfilmen mehr auf Handlung und Figuren als darauf wie viele Sets sie in die Luft jagen können und wie viele Patronen verschossen werden, andernfalls wird das Actiongenre derart mit Klischees und abgedroschenen Momenten angefüllt sein, dass es keine Rettung mehr dafür gibt.