pressplay placeholder (c) 2019 pressplay

Iggy Pop – Après

2
Punk

Wer ist Iggy Pop? War das nicht jener Rebell mit dem an sich gar nicht rebellisch klingenden bürgerlichen Namen James Osterberg, der zusammen mit seinen Stooges und dem Album „Raw Power“ zuerst Amerika und dann Großbritannien unsicher machte und der mit Hilfe von David Bowie den Klassiker „The Idiot“ produzierte. Ja, genau das war der Iggy Pop der frühen 1970er…

Später befruchteten Bowie und Osterberg einander musikalisch in einer gemeinsamen Wohnung in Berlin, wo sie eigentlich eine Drogenentziehungskur durchziehen wollten. Stattdessen (und glücklicherweise) gebaren sie Bowies psychodelische Berlin-Trilogie. Sein Song „Lust for Life“ wurde nicht nur wegen dem Film „Trainspotting“ eine Hymne für Lebenslust. Das gleichnamige Album war ein energiegeladener Kracher, der wiederum 1977 während dem Aufenthalt in Berlin von Bowie und ihm produziert worden war. Ein-zwei post-Bowie Alben später waren ihm die Kritiken zwar nicht unbedingt freundlich gestimmt, vor allem in den 1980ern probierte er einige Richtungen aus, doch mit „Brick by Brick“ konnte er 1990 wieder einen Hit landen.

Ein starkes 90er Album später kam das Millennium und das spielte den Alt-Punker wahrlich übel mit. Die negativen Kritiken überschlugen sich bei den Alben „Beat’ Em Up“ und „Skull Ring“. Und 2009 betrat Iggy Pop die Musiklandschaft mit „Préliminaires“ in seinen Armen, ein Album, das französische Chansons mit einem jazzigen Unterton vereinen sollte. Genauer betrachtet präsentierte er Songs, deren jazzige Seite mehr an Ambient oder Easy Listening erinnerte, also eine zu handzahme Produktion eines Künstlers von dem man „Raw Power“ gewohnt war. Trotzdem äußerten sich einige Kritiker recht positiv darüber, was die Frage aufwirft, ob die Marke „Iggy Pop“ einfach stärker ist, als die musikalische Qualität des Albums. „Préliminaires“ war nur der Beginn eines Weges, den eher ein handzahmer „James Osterberg“ als ein wütender „Iggy Pop“ eingeschlagen hat. „Après“ übersetzt „danach“ heißt jetzt das neue Werk. Osterberg meinte in einem Interview, wenn „Préliminaires“ das Vorspiel zur Romantik sei, dann wäre das neue Album das, was nach dieser Romantik stattfinde. Also schunkeln und schmachten.

Denn, bei allem Respekt, „Après“ ist eine Ansammlung französischer und englischer Schmachtfetzen, die man eher in dem Repertoire eines klavierspielenden Chansoniers in einem Pariser Touristenkaffee erwarten würde. In dem oben erwähnten Interview erzählte Osterberg davon, dass ihm 2009 eine CD in die Hand gefallen ist, die ihn dazu inspirierte sich an den französischen Klassikern zu versuchen. Die englischen Lieder, die „von den Qualen der Liebe“ erzählen, habe er aber schon immer singen wollen. Neben Piafs „La Vie en Rose“, Sinatras „Only the Lonely“ und „Michelle“ von den Beatles zieht er alle Register einer Liebe voller roter Herzchen.

Diese Liederauswahl ist aber so uninspiriert, dass man sich nicht wundert, dass Iggy Pop damit von den großen Plattenlabels abgewiesen wurde. Stattdessen produzierte er es selber, veröffentlichte es unter einem französischen Label und probierte sich an einem moderneren Vertriebsweg, der ein bisschen an Gutscheinseiten im Internet erinnern. „Vente Privée“ bietet „Online-Flash-Sales“, was angemeldeten Mitgliedern ermöglicht,  Alben zum Schnäppchenpreis zu erwerben. Ob „Après“ überhaupt den Schnäppchenpreis wert ist? Eher Nein als Ja. Ja, weil Osterbergs Stimme noch immer stark ist, und er versucht den Interpretationen seine persönliche Note einzuhauchen. Nein, weil, auch wenn man ihm glaubt, er habe so schon immer singen wollen, heißt das ja nicht, dass er seine persönliche Leidenschaft unbedingt vermarkten muss. Es wirkt fast so, als würde er hoffen, die Marke „Iggy Pop“ könne selbst ein Album voller Cover gewinnbringend verkaufen. Und nein auch aus musikalischer Sicht, schließlich kann auch das tausendste Cover von „La Vie en Rose“ Edith Piaf nicht lebendig machen. Vielmehr wird so ein Chanson durch das ewige Aufwärmen ungenießbar gemacht. Daran ist natürlich nicht nur Iggy Pop schuld, aber sein Album wirkt dem Verfall nicht entgegen.

Jetzt stellten einige Kritiker die Frage in den Raum: Ist das denn nicht doch Punkrock? Schließlich schlägt er hier einen so gegensätzlichen Weg ein, dass es kaum nachvollziehbar ist, was ihn wirklich geritten haben könnte. Und Punkrock bezieht sich hier nicht auf die Musikrichtung an sich, sondern auf die Lebenseinstellung, so zu handeln wie es andere am allerwenigsten erwarten; anzuecken. Bei mehrmaligem Durchhören von „Après“ kommt aber eher die Wut in einem hoch. Man möchte ja, dass sich die Lieblingsmusiker weiterentwickeln und man möchte auch mal überrascht werden, aber nicht so! Dieses Album einmal bei einem Candle-Light-Dinner aufzulegen, wird entschuldigt werden, wenn man nächstes Mal wieder auf die kitschig echte Piaf zurückgreift.

Iggy Pop – Après, Le Rat des Villes/ Broken Silence