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Moonrise Kingdom

7
Komödie

Wes Andersons Spezialität sind Sonderlinge in verschrobenen Welten. Ob der 15-jährige Max Fischer in „Rushmore“ (1998) oder die jungen und alten Royal Tenenbaums (2001), das Verhältnis der Figuren zur Realität ist relativ. Das gilt auch für sein neuestes Werk „Moonrise Kingdom“, das die diesjährigen Filmfestspiele von Cannes eröffnete…

Wie schon in „Darjeeling Limited“ erarbeitete Anderson das Drehbuch gemeinsam mit Roman Coppola. Schauplatz ist die menschenkarge Naturidylle New Penzance, eine Insel vor der Küste von New England, im Jahr 1965. Der zwölfjährige Scout Sam (Jared Gilman) und die gleichaltrige Suzy (Kara Hayward) verlieben sich ineinander und beschließen auszureißen, er aus dem Pfadfinderlager, das unter der Führung von Scout Master Ward (Edward Norton) steht, sie von ihren Eltern (Bill Murray und Frances McDormand). Nicht nur die gesamte Pfadfindertruppe und die Eltern, auch der Inselpolizist Captain Sharp (Bruce Willis) suchen nach ihnen. Nachdem sie die beiden finden, kommt das Social Service (Tilda Swinton) ins Spiel und das Geschehen nimmt einen neuen Anlauf.

„Moonrise Kingdom“ trägt – noch mehr als in Andersons anderen Filmen – starke konstruktivistische Züge. Bereits in der Eröffnungssequenz stellt der Regisseur das narrative Grundgerüst seiner Inszenierung vor: den Erzähler Bob Balaban, die Komposition The Young Person’s Guide to the Orchestra und die Kommunikation zwischen Figur und Beobachter (=Zuschauer). Die Kamera bewegt sich wie ein sich von rechts nach links, von oben nach unten wandernder Blick durch Räume und zeigt die Menschen wie in einem Puppenhaus, bis Suzy mit dem Fernglas in die Kamera schaut und damit die Zuschauer in das Geschehen involviert.

The Young Person’s Guide to the Orchestra von Benjamin Britten ist eine Variation über ein Stück von Henry Purcell, in dem Britten die einzelnen Musikinstrumente nach der Reihenfolge ihres Einsatzes im Orchester vorstellt. Ähnlich lässt Wenderson seine Figuren auftreten, eine (Gruppe) nach der anderen, bis sie im Zusammenspiel zum Höhepunkt der Erzählung finden und alles außer Kontrolle gerät. Deus ex machina. 

Das Schauspieler-Ensemble agiert hervorragend, wobei die Kinderdarsteller Jared Gilman und Kara Hayward die Erwachsenenriege aufgrund des stärkeren Parts der Geschichte ausstechen. Sie zeigen, wie aus erlebtem Außenseitertum eine ernstzunehmende, jungfräuliche Liebe entsteht, die wenig mit Gefühl, aber viel mit Entschlossenheit zu tun hat. Wenderson kehrt die Welt wieder einmal um, indem er den Kindern erwachsenes, den Erwachsenen kindliches Verhalten gibt.

Diesmal hat die Skurrilität, die seine Filme kennzeichnet, jedoch weniger Witz. Erfrischend heitere, sinnentleerte und weltfremde Momente finden sich vorwiegend im Reich der jungen Liebenden. Auf der anderen Seite wird unaufgeregte Situationskomik von Karikaturen geboten. Vielleicht ist das Scheitern Teil des Spiels, das Bill Murray, Frances McDormand und auch Bruce Willis ohne Aufhebens mit einer gewissen Natürlichkeit beherrschen. Edward Norton mimt einen Deut zu viel des Guten. So komplex sich das Konstrukt des Films auch gibt, im Endeffekt ist „Moonrise Kingdom“ sehr gute Unterhaltung, die sogar mit einigen amüsanten, weil liebenswert gemachten Special-Effects aufwartet. Eine Fiktion, wie die Bücher, die Suzy am Lagerfeuer vorliest. Was den Film auszeichnet, sind eindrucksvolle Bilder, die Gesamtkomposition und der Einblick in eine (kindliche) Liebe – und schließlich der Blick auf uns zurück: die Voyeure. 

Regie: Wes Anderson, Drehbuch: Wes Anderson, Roman Coppola, Darsteller: Edward Norton, Bruce Willis, Bill Murray, Frances McDormand, Tilda Swinton, Harvey Keitel, Jared Gilman, Kara Hayward, Jason Schwartzman, Bob Balaban, Filmdauer: 98 Minuten, Kinostart: 25.5.2012