Let Me In © 2011 hammerfilms

Let Me In

5
Horror

Wer sich vor blutverschmierten Gesichtern und offenen Fleischwunden nicht scheut, der sollte zur Zeit gelegentlich zum Augarten pilgern, denn dort bietet das Kino wie noch nie Sommerkino in der Reihe Dark Stars einen kleinen Einblick in das Neueste aus der internationalen Welt des Horror- und Slashergenres.

Den Auftakt machte Matt Reeves (Regisseur von Cloverfield) originelle Kreuzung aus Coming-of-Age- und Vampirstory Let Me In, bei der es sich nicht nur um eine Literaturverfilmung, sondern gleichfalls um das amerikanische Remake des schwedischen Films Lat den Rätte Komma In handelt.

Das Leben hat sich dem 12-jährigen Owen bislang nicht gerade von seiner besten Seite gezeigt. Während er von den bösen Jungs in der Schule auf grausamste Weise schikaniert und gequält wird, tauscht seine alleinerziehende Mutter ihre liebevolle Zuwendung immer öfter gegen die Alkoholflasche ein, um damit allabendlich ihre eigenen Probleme zu ertränken. Kein Wunder also, dass sich Owen lieber in seine Einsamkeit zurückzieht und besorgniserregende Rachephantasien ausbrütet. Alles ändert sich jedoch, als ein neues Mädchen in Owens Häuserblock einzieht und sich bald ebenfalls als sonderbare Außenseiterin und somit Leidensgenossin entpuppt. Der Beginn der bezaubernd unschuldigen jungen Liebe zwischen den beiden Teenagern wird allerdings von grausamen Morden und einem düsteren Geheimnis überschattet, denn Abby verträgt kein Sonnenlicht, ernährt sich ausschließlich von Blut und lebt bereits seit 200 Jahren.

Obwohl die Vampirthematik im Kino als auch im Fernsehen längst bis auf alle Eingeweide ausgeschlachtet zu sein scheint, ist sie offensichtlich nicht tot zu kriegen, kriecht immer wieder aus der Gruft auf die Leinwand zurück und hängt uns allmählich zum Halse heraus. Fast nicht zu glauben ist es demnach, dass Let Me In durchaus eine erfrischende und fesselnde Variation der verstaubten Vampirstory zu bieten hat. Dem Film gelingt es, eine wirkungsstarke Bildatmosphäre und überzeugende Darsteller mit einer berührenden und zugleich zutiefst erschütternden Geschichte zu kombinieren, deren sich erst langsam entwickelndes Aha-Erlebnis am Ende eine Quintessenz und Wahrheit offenlegt, die Einen schlichtweg überwältigt und sprachlos im Kinosessel zurücklässt.

Doch Moment! Das alles trifft vor allem auf das nur zwei Jahre zuvor von Tomas Alfredson realisierte grandiose schwedische Original Lat den Rätte Komma In zu, an dessen Kehle sich Matt Reeves Remake, gedreht für den amerikanischen Markt und ein breiteres Publikum, unverfroren festgebissen hat. Let Me In mag zwar ein überdurchschnittlich gelungener Genrebeitrag sein, kann jedoch mit der Raffinesse, Subtilität und Eindringlichkeit seines filmischen Vorgängers sowie mit der wunderbar schauderhaften Aura der originalen Vampirdarstellerin (Lina Leandersson) und nicht zuletzt auch mit dem Unterhaltungswert der schwedischen Sprache nicht einmal annähernd mithalten.

Während viele Szenen und Dialoge einfach exakt kopiert wurden, setzt die „Veramerikanisierung“ des Remakes genau dort ein, wo sie zu erwarten war, und zwar in der überdramatisierten, niemals enden wollenden musikalischen Untermalung, in der bis ins Lächerliche getriebenen Ausschlachtung der Visual Effect – Szenen, in der eher plump umgesetzten Hinzufügung einer religiösen good vs. evil – Thematik mit Bezug auf die amerikanische Politik, als auch in der unnötigen und lediglich zum Zweck des unintelligenten Spannungsaufbaus eingesetzten Vorausblende zu Beginn des Films. Let Me In ist letztendlich nichts anderes als ein schwacher Wiedergänger, der sich lieber zurück ins dunkle Grab verziehen und den rechtmäßigen Platz auf den Leinwänden und Bildschirmen wieder frei geben sollte für Tomas Alfredsons Original Lat den Rätte Komma In, einen der wohl wunderbarsten Vampirfilme aller Zeiten.

Regie und Drehbuch: Matt Reeves, Darsteller: Kodi Smit-McPhee, Chloe Moretz, Elias Koteas, Richard Jenkins, Cara Buono, Laufzeit: 116 Minuten